Smog Tower

Veröffentlicht am 28.03.2023 in Kategorie: leben
Smog Tower

Delhis Luftreinigungstürme - eine umstrittene Zukunftsvision Gegen die Luftverschmutzung der Städte investieren Indien, wie sein Konkurrent China, Millionen in den Bau von Smog-Tower. Experten warnen davor dass diese Luftreiniger in öffentlichen Plätzen Politische Gimmicks sind und wenig bewirken. Jetzt will aber auch München an der Donnersberger Brücke, Europas meist befahrene Innenstadt Verkehrsader, Smog Tower aufstellen. München entwickelt, in Zusammenarbeit mit der Technische Universität München, Luftfilter Türme die im Prinzip wohl vergleichbar mit denen in China oder Indien sind

Die Bilder sind erschreckend. Die Luft in den Mega Cities wie Peking oder Delhi ist dermaßen von Abgasen verseucht, dass die Menchen kaum noch die Hand vor den Augen sehen können.  Die folge sind schwerste Atemwegs- und  nicht selten Krebserkrankungen besonders bei der armen Bevölkerung und Kleinkindern. Jetzt scheint der Leidensdruck so groß zu sein, dass sich besonders in den indischen Großstädten die Bevölkerung wehrt. In Delhi ist die Luftverpestung sechsmal höher als es die WHO Richtlinie empfiehlt, so eine Studie von Green Peace South Asia, vom Februar 2020. Die traurige Bilanz der extremen Luftverschmutzung sind 5400 Tote pro Jahr. Der Stadt droht der Luftinfarkt. Unzählige Maßnahmen, wie Investitionen in Solarenergie, das Verschrotten von Autos älter als 15 Jahren, Subventionierungen für elektrische Fahrzeuge oder Wasserkanonen gegen Baustaub, gehen zwar in die richtige Richtung, doch dem Obersten Gericht Indiens geht dies nicht schnell genug. In einem Urteil von Januar 2019 verpflichtete es die Stadtverwaltung zum Bau von Smog-Towern - riesige Luft- Staubsauger. Ein Jahr später wird der erste öffentliche Smog Tower Indiens im beliebten Lajpat Nagar Zentral Market in Delhi, medienwirksam von dem prominenten Kricketspieler, Gautam Gambhir, eingeweiht. Der Standort ist nicht zufällig gewählt, er gehört zu den 13 luftverschmutztesten Orten der Mega-City. Über 15000 Besucher drängeln sich hier täglich durch das Straßengewirr, vorbei an Imbissständen, Küchenutensilien, Textil und-Sari Geschäften sowie Fliegenden Händlern, wie dem Kokosnuss-Verkäufer Baccha Singh. Trotz S-Bahn Anschluss kommen die meisten Einkäufer mit ihren Motorrädern oder Autos. Seit über 30 Jahren verkauft Baccha Singh in diesem chaotischen Kommen und Gehen hinter seinem Holzkarren Kokusnüsse. In den letzten Jahren verschlechterte sich seine Gesundheit zunehmend. Mit dem Bau des 10 Meter hohen Smog Towers, keine zehn Meter von Baccha Singhs Kokosnuss-Karren entfernt, kam, so schwört er, die Erleichterung. Der Luftstaubsauger saugt im Umkreis von 300 Meter pro Tag bis zu 60000 Kubikmeter verschmutzte Luft ein. 75 % der gefährlichen Feinstaub-Partikel von PM 2,5 (aller Schwebstaubpartikel mit aerodynamischen Durchmessern unter 2,5 μm Mikrometer, die bis in die Bronchiolen und Lungenbläschen vordringen) werden gefiltert und als saubere Luft in Bodennähe abgegeben. „Früher“, so der 55jährige „hatte ich ständig Hustanfälle jetzt kann ich endlich durchatmen.

Für Menschen wie Baccha Singh, die nicht im Luxus einer Klimaanlage ihr Geschäft betreiben scheint der Luftreiniger eine fühlbare Verbesserung der Lebensqualität zu bringen.
Da es aber bisher kaum wissenschaftliche Studien über den Nutzen von Smog Towern gibt, ausser einem Report des Institute of Earth Environment der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, hat sich unter Experten und Politikern eine heftige pro-und contra Smog-Tower Debatte entwickelt. Kritiker argumentieren, dass Atmosphärische-Wissenschaften das Luftverschmutzungsproblem als dynamisch definieren. Und das heisst: Luft bewegt sich ständig mit wechselnder Geschwindigkeit und bildet dabei ständig neue komplexe chemische Mischungen. Ohne Grenzen wie in einem geschlossenen Raum, ist es unwissenschaftlich anzunehmen, dass man Luft einfangen könne und gleichzeitig gereinigte Luft in dieses atmosphärische Gemisch wieder zurücksenden kann. Im Fall der Smog-Tower bedeutet dies, dass die gereinigte Luft kurz darauf wieder mit dem chemischen Luftgemisch durchdringt wird. Ausser eben vielleicht im nächsten Umkreis von Baccha Singhs Kokosnuss-Karren-Standort.
Unbeeindruckt von wissenschaftlichen Bedenken treibt Delhis Bürgermeister, Arwind Kejriwal, das Pilotprojekt Smog Tower passioniert voran. Die Kosten für den verhältnismäßig kleinen Smog Tower in Lajpatnagar sind mit 8500 Euro Baukosten und monatlichen Betriebskosten von 300 Euro überschaubar. Ab Juni 2021 soll ein zweiter 20 Meter hoher Luftreiniger in Delhis historischem Zentrum, dem Connaught Place über die weissen Kolonial-Gebäude in den grau-verschmutzten Himmel ragen. Die Kosten: über 2 Million Euro. Grotesk ist allerdings, dass dafür zig alte Bäume im Weg stehen, die Delhis viel gelobte grüne Stadt-Fläche ausmachen. Als Opfer des Smog-tower Projekts werden sie nun in einer fragwürdigen Grossaktion an den Stadtrand verpflanzt. Dafür saugt der Luft-Reinigungs- Gigant im Umkreis von einem Kilometer dann verschmutzte Luft ein, reinigt sie durch neun Filter und gibt täglich 75 Millionen Kubikmeter saubere Luft ab, so mindestens steht es in den Planungsunterlagen. Zugegeben, ein paar Bäume können das nicht leisten.
Schon sehen Ingenieure und Designer in der Zukunftsversprechenden Technik einen lukrativen Markt. Sie versuchen sich mit Superlativen in Effektivität und Design der Smog Türme zu übertreffen. Das indische Start-up „Kurin Systems“ entwickelt eine umweltfreundlichere Variante eines „City Cleaner“. Hocheffektive H14 Filter (HEPA, highly effective particulate arrest filter) filtern 99,99% des Feinstaubs von PM 2,5. Dabei sollen 75000 Menschen im Umkreis von 3 km davon profitieren, dass täglich 32 Millionen Kubikmeter Luft von dem 12 Meter hohen Turm angesaugt werden. Der Strom stammt aus Solarenergie.

Indien hat die Idee der Smog-Tower beim Erz-Konkurrenten China abgeschaut mit Smog Towern in Beijing and Xi'an. Hier steht zwischen eintönigen Wohnblocks ein 100 Meter hoher Monster- Smog-Tower. Seit 2018 reinigt der weltgrösste Luftstaubsauger im Umkreis von drei Quadrat-Kilometern sagenhafte 10 Millionen Kubikmeter Luft Pro Tag. Die Technik: Ein Ionisator als Luftreiniger ermöglicht, dass geladene Ionen sich an Staubpartikeln in der Luft anlagern und durch ihre elektrostatische Wechselwirkung einen Zusammenschluss mit weiteren Partikeln bilden. So verklumpt können sie von einem Luftreiniger besser gefiltert werden.
Smog Tower sind nicht nur in Asien, ein Hit. Schon 2015 konzipierte der niederländische Designer Dan Roosegaarde den Prototyp eines Luft- Reinigers für Rotterdam. Sein Model eines „Smog Free Tower“ kam dann in den Niederlanden, Polen und China zum Einsatz. Im Vergleich zu den asiatischen Zement-Türmen wirken die 7 Meter hohen mit Aluminium verkleideten Roosegaarde- schen Luftreiniger eher wie fragile Kunstobjekte. Technisch jedoch sind sie Powerstationen. Im Umkreis von 60 Metern wird die schmutzige Luft eingesaugt. Im Inneren des Turms wird mit Hilfe einer Ionisationstechnologie der Feinstaub über Kupferspulen elektrisch aufgeladen, dann von Filtern gebunden. 30 000 Kubikmeter saubere Luft gibt er pro Stunde ab. Betrieben wird er mit 1170 Watt Strom, die ein Windrad auf dem Dach produziert.
Ein weiteres der berühmten Roosegaarde Designer-Objekten, im Volksmund der „Tempel der reinen Luft“ genannt, steht im chinesischen Dalian. Erbaut 2017 liess er die Teilnehmer des Summer Davos Gipfels durchatmen. Dank der Ionisierungstechnik hat sich Roosegaarde einen besonderen Trick einfallen lassen. Aus gefilterten Schmutzpartikeln entstehen durch Kompression schwarze Diamanten. Der Gewinn der Smog-Diamanten Schmuckstücke soll den Bau weiterer Smog Free Tower finanzieren.
Unbeeindruckt von solchen Gimmicks sind Umweltexperten. Sie warnen davor, dass mit den smog Towern falsche Signale gesetzt werden, die eine effektive Umweltdebatte eher ausbremsen. Anstelle die Gelder in wirkungsvolle Umweltmaßnahmen zu stecken, werden die Smog Türme von Politikern dazu benützt, einen einfachen Weg aus der Umweltverantwortung vorzugaukeln. Sie sollen den Eindruck vermitteln , dass saubere Luft auch ohne strickte und einschneidende Veränderung von Verhaltensweisen geht. So ist die drastische Luftverbesserung Bejings, nicht etwa auf den Bau des Smog Tower zurückzuführen, wie es die chinesische Propaganda Maschinerie gerne verkündet, sondern durch eine massive Reduzierung an Kohleverbrennung, der Einführen von Erneuerbarer Energie, strickte Schadstoffemissionskontrollen bei der Industrie und dem Reduzieren von Fahrzeugen.
In der pro-oder contra Diskussion um den Bau von öffentlichen Smog Towern sprechen die Zahlen für sich. Eine Recherche des CEEW (Counsil on Energy, Environment and Water) errechnete, dass es um Delhis Luft atmungsfähig zu machen, unglaubliche 2,5 Millionen solcher Smog Tower bräuchte. Trotz der absurd erscheinenden Zahl planen die Megacities Delhi, Mumbai und Bangaluru in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Universität von Minnesota (entwickelte für China den Turm in Xi'an ) und dem Ingenieur Kollege IIT -Delhi und IIT -Bombay den Bau weitere 213 Smog-Türme in naher Zukunft. Alleine die Kosten für dieses Smog-Tower-Projekt in Delhi betragen circa 300 Millionen Euro - für Experten wie Dr. SN Tripathi, Atmospäre Wissenschaftler des IIT-Kanpur ist dies rausgeworfenes Geld

Text: Dorothea Riecker

Quelle:

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